Das Morbiditäsrisikos muß bei den Kassen liegen
1997 +++ K.-H. Friauf +++ Quelle: Ders., Zur Frage, ob eine Überbürdung des Morbiditäsrisikos im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung auf die Vertragsärzte mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Rechtsgutachten. Asgard-Verlag Dr. W. Hippel KG Sankt Augustin 1997Das
Rechtsgutachten von Prof. Dr. Friauf sollte eigentlich für Kassenärzte
zur Pflichtlektüre werden. Im folgenden sollen nur einige unkommentierte
Zitate aus diesem Rechtsgutachten wiedergegeben werden, um die Dimensionen dieses
Rechtsgutachtens aufzuweisen.
S. 24: Wie das BVerfG erst jüngst wieder mit Recht
herausgestellt hat, ist die Freiheit, einen Beruf auszuüben, untrennbar
mit der Freiheit verbunden, eine angemessene Vergütung zu fordern. S. 27: Entwicklungen ... zeigen, daß die fortlaufend
verschärften Eingriffe in das vertragsärztliche Vergütungssystem
sich der prekären Grenze zwischen legitimer Ausübungsregelung und
Erdrosselung stark angenähert haben. Ein qualitativer Umschlag in eine
... berufliche Erdrosselung zahlreicher Vertragsärzte, die als nicht
legitimierter Eingriff in das Recht der freien Berufswahl angesehen werden
müßte, liegt keinesfalls außer Reichweite. S. 28: Vertragsärzte und frei praktizierende Ärzte
(haben) einen einheitlichen übergreifenden Arztberuf inne. S 30: Der öffentliche Dienst stellt sich als Bestandteil
der Staatsorganisation dar. Er beruht nicht auf der bürgerlichen Freiheit,
sondern auf der staatlichen Organisationsgewalt. S. 31: Der Vertragsarzt ...ist als Angehöriger
eines freien Berufs kein Erfüllungsgehilfe der Kassenärztlichen
Vereinigung. ... Die Vereinigung haftet vielmehr allein für die Verletzung
der ihnen selbstobliegenden Pflichten, namentlich des Sicherstellungsauftrages
gemäß § 75 SGB V. S 40: Isensee: Das System der kassenärztlichen
Versorgung sei "nicht dazu bestimmt, grundrechtliche Freiheit aufzuheben,
sondern zu ermöglichen". S. 55: Der Arzt übt nicht nur einen dem hippokratischen
Gesetz verpflichteten Heilberuf aus. Er ist vielmehr in der sozialen Wirklichkeit
unserer Tage legitimerweise Freiberufler und Unternehmer. Da er nicht wie
der Beamte vom Staat lebenslang alimentiert wird, muß und darf er wirtschaftlich
denken handeln, ohne daß ihm daraus im Hinblick auf das ärztliche
Berufsethos ein Vorwurf erwachsen könnte. Aus der Pflicht des Arztes,
die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der ärztlichen
Kunst voll in den Dienst seiner Patienten zu stellen, folgt keine Pflicht
zum - partiell - unentgeltlichen Praktizieren. S. 63: Das bloße Zurückschrecken der Politik
vor unpopulären Entscheidungen und das Verschleiern der Einsicht vor
den Versicherten, daß mit begrenzten Beiträgen nun einmal keine
unbegrenzten Leistungen erkauft werden können, lassen es nicht gerechtfertigt
erscheinen, die Belastung einer anderen Gruppe - hier der Vertragsärzte
- als Mittel des alternativen Defizitsausgleichs als erforderlich im Sinne
von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG anzusehen. S. 64: Der Sache nach werden ... (die Vertragsärzte)
... als Private für öffentliche Aufgaben, nämlich zur Mitfinanzierung
der gesetzlichen Krankenversicherung, in Pflicht genommen. S. 74: Die Vertragsärzte sind als Leistungserbringer
nicht gleichzeitig Finaciers der gesetzlichen Krankenversicherung. S 76: Aus rechtlicher Sicht bleibt demgegenüber
daran festzuhalten, daß die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung
Sache der Beitragspflichtigen, also der Versicherten und ihrer Arbeitgeber
ist. Nur das entspricht dem Versicherungsprinzip. S 78: Die Überbürdung des Morbiditätsrisikos
auf die Vertragsärzte durchbricht das Versicherungsprinzip in seinem
Kern. S 79: Angemessen in diesem Sinne kann eine Vergütung
nur sein, wenn sie die Kosten der Leistungen deckt und dem selbständig
auf eigenes Risiko tätigen Arzt darüber hinaus die Möglichkeit
eines den heutigen Maßstäben entsprechenden freiberuflichen Einkommens
sichert. S. 84: Das Morbiditäts- und das Frequenzrisiko
... (muß) ... bei den Krankenkassen belassen werden. Eine Überbürdung
auf die vertragsärztliche Seite wäre grundrechtswidrig und deshalb
unzulässig. Jost Brökelmann