Gefährdung des Facharztes in der freien Praxis

Institutionelle Öffnung der Krankenhausambulanzen aus fachärztlicher Sicht

2005 +++ Jörg-A. Rüggeberg +++ Quelle: BAO-Depesche 11, Mai/2005, 1-5

Auszüge:

[...] Tatsächlich handelt es sich bei der fachärztlichen Versorgung in Deutschland aber nicht um eine doppelte, sondern um zwei sich ergänzende, faktisch jedoch getrennte fachärztliche Ebenen: einerseits die fachärztliche stationäre Versorgung im Krankenhausbereich und andererseits die fachärztliche ambulante Versorgung in der niedergelassenen Facharztpraxis. Da dies aber keine identischen Versorgungsbereiche sind, kann man auch nicht von einer doppelten Struktur sprechen. Der Wegfall einer dieser beiden Ebenen würde zu erheblichen Defiziten führen, weil damit ein ganz wesentlicher Bestandteil der medizinischen Versorgung fehlen würde.

Öffnung der Krankenhäuser nach §116 SGB V

Klar erkennbare Absicht ist es, mittelfristig die niedergelassenen Fachärzte durch Krankenhausambulanzen zu verdrängen. Dabei wird übersehen, dass die Freiberufler aufgrund ihrer Flexibilität und übrigens auch ihrer Motivation immer kostengünstiger tätig sind als vergleichbare Arbeitnehmer in angestellter Position.

Medizinische Versorgungszentren – Idee und Wirklichkeit

Im Übrigen gibt es derartige Strukturen im Bereich des Ambulanten Operierens schon seit Jahren: hier arbeiten typischerweise Operateur und Anästhesist zumeist in einem OP-Zentrum zusammen, ohne dass dies aber als MVZ firmiert.

Die MVZs sind im Grunde als ein Instrument gedacht, um als gesonderte Neugründungseinheiten in Krankenhausambulanzen tätig zu werden.

Angesichts dieser Probleme gehen die Krankenhäuser, allen voran der Geschäftsführer der DKG, auf die Suche nach neuen Einnahmequellen und reklamieren für sich die vollständige Übernahme des ambulanten Sicherstellungsauftrages. Ganz abgesehen davon, dass dies mit den vorhandenen personellen Ressourcen auch nicht im Ansatz bewältigt werden kann, stellt diese Forderung einen Maximalangriff auf die niedergelassenen Praxen und hier vor allem auf die Facharztpraxen dar.

Die offenkundige Konfrontation zwischen Krankenhaus und Niedergelassenen lenkt ab von den eigentlichen Ursachen, nämlich der gesetzlich fixierten Budgettrennung und der unterschiedlichen politisch-ideologischen Ansätze gesellschaftlich relevanter Gruppen.

Demgegenüber besitzt die niedergelassene Facharztpraxis genau diese Flexibilität, leidet aber unter dem existenzbedrohenden ökonomischen Druck stetig sinkender Erlöse und steigender Kosten. Die ideale Lösung bietet die Einbindung oder besser Anbindung des freiberuflichen Facharztes an ein Krankenhaus, entweder ganz oder nur für Teilbereiche seiner Tätigkeit.

Das klassische Modell einer sektorübergreifenden Versorgung ist seit Jahren das Belegarztsystem. Dieses auszubauen und mit einem Konsiliararztsystem zu ergänzen, wäre eine sinnvolle Lösung der skizzierten Probleme.

So wie in dieser Frage ein tiefer Riss die Parteien trennt, so setzt sich dieser Riss auch fort in der Bewertung der freiberuflichen Praxis versus einer möglichst staatlichen Poliklinik. Es steht zu befürchten, dass die Frage des Weiterbestehens der Facharztpraxis mehr von ideologischen Entscheidungen als von konzeptionell nachvollziehbaren Fragen zur Optimierung der medizinischen Versorgung abhängen wird.