Vergleich EBM 2000plus mit den Gebührenordnungen RBRVS (USA) und TARMED (Schweiz)

Bis zu siebenfache Vergütung in den USA

2005 +++ Jost Brökelmann +++ Quelle: BAO-Depesche 11, Mai 2005, 14-15

Deutschland hat eine neue Gebührenordnung für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), den EBM 2000plus. Dieser EBM 2000plus wurde bislang mit dem alten EBM (Brökelmann 2005a) sowie der Schweizer Gebührenordnung TARMED (Brökelmann 2005b) verglichen. Als dritte Gebührenordnung soll der neue EBM mit der US-amerikanischen Gebührenordnung RBRVS (Resource-Based Relative Value Scale) gemessen werden.

RBRVS ist aufgrund eines Kongressbeschlusses seit 1992 US-weit eingeführt, nachdem Vorarbeiten schon seit 1986 an der Harvard School of Public Health, Boston liefen und veröffentlicht wurden. Diese Relativwerte-Gebührenordnung wird ständig von einer Kommission des US-Kongresses überprüft und verbessert. Damit ist die RBRVS bekanntermaßen die älteste und eine bewährte Relativwertskala-Gebührenordnung (Medicare RBRVS Update 2000, St. Anthony’s Complete RBRVS 1998). Die Relativwerte werden durch Lokalfaktoren an das unterschiedliche Preisniveau in den einzelnen Städten angepasst und dann mit einem Konversionsfaktor in US Dollar umgerechnet. Näheres über RBRVS im Internet (s. Literatur).

Material und Methoden

Für den jetzigen Vergleich wurde die FASA (Federated Ambulatory Surgery Association, USA) gebeten, die Gebühren für drei gynäkologische Operationsarten (Hysteroskopie + Abrasio, missed abortion und laparoskopische Ovarektomie) nach der RBRVS-Skala auszurechnen. Für die Übermittlung der Daten danken wir dem Präsidenten der FASA, Bob Williams, sehr.

Die Berechnungen für die Vergütung gynäkologischer Operationen im EBM 2000plus und in der Schweizer Gebührenordnung TARMED wurden an anderer Stelle veröffentlicht (Brökelmann 2005a und b).

Ergebnisse

Die Vergütungen nach der US-Gebührenordnung für die drei Operationen werden sowohl für die Ambulanten Operationszentren (ASC) als auch für ambulante Operationen am Krankenhaus angegeben (Tab.1). Es fällt auf, dass in den USA die Vergütungen für ambulante Operationen im Krankenhaus z. T. wesentlich höher liegen als in Ambulanten Operationszentren (Tageskliniken).

Tab. 2 und Abb.1 geben die Vergütungen für Tageskliniken in Deutschland, Schweiz und USA vergleichend wieder. Bei den kleineren Operationen (Hysteroskopie-Abrasio und missed abortion) liegt die Vergütung in den USA mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland und der Schweiz. Die laparoskopischen Operationen sind sowohl in den USA als auch in der Schweiz wesentlich besser vergütet als nach dem EBM 2000plus.

Diskussion

Die RBRVS hat für jede einzelne Prozedur einen Relativwert und ist damit ähnlich aufgebaut wie eine Komplexgebühr im EBM 2000plus. Nur die Zahl der US-amerikanischen Komplexgebühren ist wesentlich höher als in Deutschland.

Die Vergütungen nach TARMED sind dagegen modulartig aufgebaut: Zum Beispiel gibt es eine Grundvergütung für eine operative Laparoskopie. Darauf addieren sich Module wie Chromopertubation, Adnexentfernung, suprazervikale Hysterektomie usw. Durch diese Addition, die vom Operateur vorgenommen wird, kann es möglicherweise zu relativen Erhöhungen der Gesamtpunktzahl kommen. Dadurch könnte erklärt werden, warum einige der Prozeduren in der Schweiz besser vergütet werden als in den USA.

Auf der anderen Seite ist bekannt, dass sich die amerikanische Gebührenordnung seit mehr als 13 Jahren bewährt hat und damit zur Standard-Gebührenordnung der USA wurde. Bei der Festlegung der Relativwerte durch Expertengruppen wurden zahlreiche Parameter wie Schnitt-Naht-Zeit, erforderliche Erfahrungen des Operateurs, Schwierigkeit der Operationsdurchführung, Sachkosten, Haftpflichtversicherung usw. berücksichtigt.

Das Niveau der Vergütungen nach dem EBM 2000plus liegt bedeutend niedriger als dasjenige der US-amerikanischen Gebührenordnung RBRVS. Diese Diskrepanz sollte die KBV erklären. Die KBV wurde nämlich schon 1995 durch den BAO auf die Gebührenordnung RBRVS unter Übersendung entsprechender Veröffentlichungen hingewiesen (Brökelmann et al. 1995).

Die KBV kannte auch die TARMED-Gebührenordnung, denn sie hat die Grunddaten des TARMED für ihre eigenen Berechnungen gekauft. Warum gerade die laparoskopischen Operationen im EBM 2000plus im Vergleich zum TARMED so unterbewertet sind, ist unbekannt. Hier scheint eine große Unstimmigkeit in der neuen Gebührenordnung EBM 2000plus vorzuliegen.

Ein genauer, internationaler Vergleich der Berechnungsdaten der einzelnen Gebührenordnungen durch eine unabhängige Kommission scheint lohnenswert, denn dadurch könnte eine wissenschaftlich fundierte, allgemeingültige Berechnungsgrundlage für zukünftige Gebührenordnungen geschaffen werden.

Zusammenfassung

Der EBM 2000plus liegt bei gynäkologischen Operationen z. T. deutlich unter den Vergütungen nach TARMED (Schweiz) und der als Standard bewährten Gebührenordnung RBRVS (USA). Das Ziel der EBM-Reform, eine betriebswirtschaftlich berechnete Gebührenordnung zu erstellen, scheint verfehlt.

Es wird angeregt, dass ein unabhängiges Institut auf wissenschaftlicher Basis unter Hinzuziehung internationaler Erfahrungen und unter Berücksichtigung tatsächlicher Praxiskosten eine Gebührenordnung erstellt, die unter parlamentarischer Kontrolle ständig überprüft und angepasst wird.

Literatur

Brökelmann J, Hennefründ J, Möller C-P. Komplexgebühren für gynäkologische Operationen. BAO-Info III/95, 16-18

Brökelmann J, Vergütung gynäkologischer Operationen im alten und im neuen EBM 2000plus. ambulant operieren 1/2005a, 42-44

Brökelmann J, Gynäkologische Operationen: Vergleich EBM 2000plus mit der Schweizer Gebührenordnung TARMED. ambulant operieren 1/2005b, 44-47

Medicare RBRVS Update 2000. Federal Register / Vol. 64 No. 211 / November 2, 1999

RBRVS im Internet: RBRVS.com, http://www.ama-assn.org/

St. Anthony’s Complete RBRVS. Relative Value Studies, Inc. St. Anthony Publishing 1998

Tab.1: Vergütung von gynäkologischen Operationen in den USA

(in US $; Daten von Bob Williams, FASA, USA)

CPT Code
Prozedur

Physician Rate

ASC Rate


Total Payment Performed in ASC

HOPD Rate

Total Payment Performed in HOPD

58558 Ma

$  283,47

$ 510,00

$    793,47

$ 1.169,13

$    1.452,60

59820 HAR

$  322,13

$ 717,00

$ 1.039,13

$ 1.025,76

$    1.347,89

58661 LSO Ovex

$  662,45

$ 717,00

$ 1.379,45

$ 2.436,17

$    3.098,62

Physician Rate -- Medicare National Payment Rate for procedures performed in facility

ASC Rate -- Medicare National Payment Rate to ASC for facility services

HOPD Rate -- Medicare National Payment Rate to Hospital Outpatient Departments from (69 FR 65681)

Sources

2005 Hospital Outpatient Rates (69 FR 65681)
2005 Physician Payment Rates (69 FR 66235)
2004-2005 ASC Payment Rates (69 FR 69178)
HAR = Hysteroskopie, Abrasio
Ma = missed abortion
LSO, Ovex = Laparoskopie, Ovarektomie

Tab. 2: Vergleich der Vergütung gynäkologischer Operationen in Deutschland, Schweiz und USA

Gebührenordnung

HAR

Ma

LSO + Ovex

EBM2000+

229 EUR

229 EUR

306 EUR

TARMED

230 EUR

216 EUR

1150 EUR

USA

588 EUR

710 EUR

1022 EUR

HAR = Hysteroskopie, Abrasio
Ma = missed abortion
LSO, Ovex = Laparoskopie, Ovarektomie
US-$ konvertiert in Euro (EUR)

Abb. 1: Internationaler Vergleich der Vergütung gynäkologischer Operationen