Bestechlichkeit - Strafrisiko für Vertragsärzte

Aktuelle Diskussion im Strafrecht

2007 +++ Oliver Sahan +++ Quelle: Deutsches Ärzteblatt 104, Ausgabe 36 vom 07.09.2007, Seite A-2392

Auszüge
Einzelne Juristen vertreten die Auffassung, dass sich niedergelassene Ärzte der Bestechlichkeit schuldig machen können. Dies verkenne die Stellung der Ärzte als selbstständige Freiberufler, meinen die anderen.

Vertragsärzte sind weder Angestellte der Krankenkassen noch der Kassenärztlichen Vereinigungen. Zwar fallen sowohl die ärztliche Behandlung als auch die Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln gemäß § 2 Abs. 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte unter den Begriff der vertragsärztlichen Versorgung. Die zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Verbänden der Krankenkassen geschlossenen Mantelverträge sehen jedoch kein Weisungsrecht der Krankenkassen gegenüber dem einzelnen Vertragsarzt vor. Ebenso wenig sieht die Zulassung des Arztes nach den §§ 95 ff. SGB V in Verbindung mit § 19 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte ein Weisungsrecht der Kassenärztlichen Vereinigungen gegenüber dem einzelnen Arzt vor. Zutreffend bezeichnet der Bundesfinanzhof Ärzte daher als Freiberufler und führt aus, dass Ärzte trotz ihrer vertragsärztlichen Zulassung keine arbeitnehmerähnliche Stellung innehaben.

Vertragsärzte als Beauftragte der Krankenkassen?
Ebenso einig war man sich bislang darüber, dass Vertragsärzte auch keine Beauftragten eines geschäftlichen Betriebs sind. Dieser Annahme wird nunmehr in der Literatur zum Teil widersprochen, weil man der Auffassung ist, niedergelassene Vertragsärzte seien Beauftragte der Krankenkassen und damit taugliche Täter der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr.

Dabei wird – wohl zu Recht – davon ausgegangen, dass es sich bei den Krankenkassen um geschäftliche Betriebe im Sinne des § 299 StGB handele. Denn geschäftlicher Betrieb ist jede Einrichtung, die ihre wesensgemäßen Aufgaben dadurch erfüllt, dass sie dauerhaft und regelmäßig durch Austausch von Leistung und Gegenleistung am Wirtschaftsleben teilnimmt. Dabei erfordert der Begriff des Geschäftsbetriebs keine Gewinnerzielungsabsicht, sodass auch gemeinnützige, kulturelle und soziale Einrichtungen sowie öffentliche Unternehmungen ein geschäftlicher Betrieb sein können. Die Krankenkassen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, die ihre wesensgemäßen Aufgaben ebenfalls auf Dauer und außerhalb des Privaten erfüllen. Auch nehmen die Krankenkassen durch Austausch von Leistungen am Wirtschaftsleben teil.

Folglich stellen auch Krankenkassen geschäftliche Betriebe dar.

Letztendlich – so die Argumentation – schließt der Arzt in Stellvertretung für die Krankenkassen Kaufverträge über Medikamente mit den Apothekern ab.

Somit sind niedergelassene Vertragsärzte in den Betrieb der Krankenkassen eingebunden und bekleiden dort eine Stellung, die ihnen die Entscheidung darüber erlaubt, welche Medikamente die Krankenkassen zur Versorgung ihrer Mitglieder kaufen.

Diese Rechtsansicht wirkt nicht nur überaus konstruiert, sie redet auch einer Entmündigung der Kassenpatienten das Wort und verkennt die Stellung der Ärzte als selbstständige Freiberufler.