Auszüge:
Priorisierung ist dagegen in den Gesundheitssystemen Nordeuropas Normalität, meist in der Form von Wartezeiten beziehungsweise -listen.
In Schweden begann die intensivere Beschäftigung mit Priorisierungs- und Rationierungsfragen im Gesundheitswesen 1992 mit der Einsetzung einer parlamentarischen Priorisierungskommission (Prioriteringsutredningen), der Repräsentanten der fünf größten Parteien des schwedischen Reichstages angehörten. Die Arbeit dieses Ausschusses mündete 1997 in einen Beschluss des schwedischen Reichstages, in dem die drei Grundprinzipien der Priorisierung festgelegt wurden: das Prinzip der Menschenwürde, das Bedarfs- beziehungsweise Solidaritätsprinzip sowie das Prinzip der Kosteneffektivität.
Die zweite und dritte Priorisierungsgruppe sollen in abnehmender Reihenfolge öffentlich finanzierte Ressourcen erhalten. Für die vierte Priorisierungsgruppe dagegen stehen in der Regel keine öffentlichen Gelder zur Verfügung. Die Betroffenen müssen für ihre Leistungen selbst bezahlen.
Im Dilemma zwischen individuell empfundenem Versorgungsbedarf und niedriger Priorisierung regen Wigzell und Asplund an, solche Angebote nicht völlig aus dem Versorgungsprogramm des öffentlichen Gesundheitswesens herauszunehmen, sondern mit abnehmendem Grad an Priorisierung die Selbstbeteiligung anzuheben. Die am niedrigsten priorisierten Maßnahmen sollten demnach eine Selbstbeteiligung von 100 Prozent zugemessen bekommen.
Priorisierungsgruppen
Priorisierungsgruppe 1
- Versorgung lebensbedrohlicher akuter Krankheiten
- Versorgung solcher Krankheiten, die ohne Behandlung zu dauerhafter Invalidisierung oder zu vorzeitigem Tod führen
- Versorgung schwerer chronischer Krankheiten
- Palliative (lindernde) Versorgung und Versorgung in der Endphase des Lebens
- Versorgung von Menschen mit herabgesetzter Autonomie
Priorisierungsgruppe 2
- Prävention
- Rehabilitation
Priorisierungsgruppe 3
- Versorgung weniger schwerer akuter und chronischer Erkrankungen
Priorisierungsgruppe 4
- Versorgung aus anderen Gründen als Krankheit oder Schaden
Stoppliste
Zu den auf der sogenannten Stoppliste aufgeführten Erkrankungen zählen unter anderem
- Zweiter Hörapparat
- Behandlung des leichten Schnarchens
- Krampfadern als kosmetisches Problem
- Chronische Rückenschmerzen
- Atembeschwerden aufgrund schiefer Nasenscheidewand
- Sterilisation des Mannes
- Sterilisation der Frau ohne medizinische Indikation
- Kaiserschnitt ohne offenbare psychische oder medizinische Indikation
- Fruchtwasseruntersuchung bei nicht medizinischen Indikationen
- Operation gutartiger Tumoren
- Leichte Prostatabeschwerden
- Kopfläuse
- Blasenkatarrh bei Kindern
- Kniebeschwerden bei älteren Patienten, Arthroskopie
- Anale Erkrankungen
- Chirurgische Versorgung von Magen-Darm-Erkrankungen bei multimorbiden älteren Patienten