Wie ist es um die Zukunft der freien Berufe bestellt? Sind sie in einer globalisierten Dienstleistungsgesellschaft überlebens- und leistungsfähig? Kann man in einer zunehmend durch Wettbewerb und ökonomische Effizienz geprägten Zeit einem Berufsbild noch ein „gemäßigtes Gewinnstreben“ zugrunde legen und mit Gebührenordnungen und Werbebeschränkungen arbeiten?
Diese Fragen werden in den letzten Jahren häufiger gestellt. Institutionen wie die Europäische Kommission mit ihrer Generaldirektion Wettbewerb, aber auch die deutsche Monopolkommission haben sich inzwischen als Kritiker der freien Berufe etabliert. Sie fordern radikale Veränderungen des Berufsrechts, die auf die Abschaffung des bisherigen Berufsbilds hinauslaufen.
2006 waren statistisch rund 906 000 Freiberufler erfasst. Vor allem bei den kulturschaffenden freien Berufen, die mit mehr als 20 Prozent einen erheblichen Anteil der Berufsträger ausmachen, fehlt es an einer solchen Voraussetzung.
Trotz der weitreichenden Verrechtlichung der freien Berufe hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass es sich aus der Perspektive des Verfassungsrechts beim freien Beruf in erster Linie um einen soziologischen Befund handelt. Daran knüpft die rechtliche Ausgestaltung der einzelnen Berufsbilder an.
Ein vergleichbarer Kriterienkatalog hat sich inzwischen auch im Europarecht herausgebildet. Zu den Kriterien zählen:
Folgende drei Merkmale gehören wohl zum unverzichtbaren Kernleitbild des freien Berufs:
Noch weniger betrachtet wird die soziale und ökonomische Komponente der Freiberuflichkeit. Freiberufler sind regional beziehungsweise lokal orientierte, kleine und mittelständische Unternehmer, denen unter anderem eine große Bedeutung als örtliche und regionale Investoren und Sponsoren zukommt. Sie tragen damit im Sinne von Artikel 16 EG-Vertrag zum regionalen und sozialen Zusammenhalt bei.
Hinzu kommt, dass die mittelständische Struktur der freien Berufe eine langfristige strukturelle Sicherung des Leistungswettbewerbs ermöglicht. Denn sie verhindert, dass sich wettbewerbsfeindliche Oligopole durch fremdkapitalfinanzierte Ketten bilden. Auch aus wettbewerbspolitischer Perspektive sprechen deshalb gute und überlegene Gründe für das Modell der Freiberuflichkeit, sodass selbst die Berufung auf Wettbewerb und Ökonomie keinen zwingenden Einwand gegen die Beibehaltung eines modifizierten Leitbilds des freien Berufs begründen kann.
Anschrift des Verfassers
Prof. Dr. jur. Winfried Kluth
Institut für Marktordnungs- und Berufsrecht e.V.
c/o Lehrstuhl für Öffentliches Recht
Universitätsplatz 10 a
06099 Halle (Saale)