Soll der BAO ein gemeinnütziger Verband, ein ausschließlicher Interessenverband oder beides sein?

Überlegungen zur Zukunft des Bundesverbands

2008 +++ Jost Brökelmann +++ Quelle: ambulant operieren 3/2008, 139-141

Diese Frage wurde im erweiterten Präsidium des BAO in Bremen 2008 gestellt: Was sind die Ziele des BAO – soll er ein gemeinnütziger Verband mit ideellen Zielen oder ein Verband zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen sein? Schon vor Jahren wurde dieses Thema innerhalb des BAO heftig diskutiert, denn der Landesverband Hessen wollte als reiner Interessenverband agieren und ist nach dieser Diskussion aus dem BAO ausgetreten. Jetzt will das erweiterte Präsidium des BAO diese Frage an einem Arbeits-Wochenende am 27./28. September 2008 erneut erörtern. Die folgenden Ausführungen sollen zur Klärung dienen.

1. BAO-Satzung (Auszug)

§ 2  Zweck des Vereins

1.    Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts "Steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung (AO).

2.    Zweck des Vereins ist die Förderung und Verbreitung des Wissens und der Forschung auf dem Gebiet des ambulanten Operierens.

3.    Der Satzungszweck wird verwirklicht insbesondere durch:

     Verbreitung und Förderung des ambulanten Operierens in entsprechenden Einrichtungen (Tageskliniken) als dritte Säule des Gesundheitswesens neben der stationären Krankenhaus­behandlung und der herkömmlichen Behandlung in Arztpraxen,

    Schaffung und Wahrung eines Qualitätsstandards,

    praktische und theoretische Fortbildung im ambulanten Operieren,

    Herausgabe von Fach- und Informationsschriften,

    Durchführung von Informations- und Fortbildungsveranstaltungen.

4.   Der Verein ist selbstlos tätig; er verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.

Fazit: Der BAO wurde eindeutig als gemeinnütziger Verein bzw. Verband gegründet. Die Gemeinnützigkeit wurde bislang beim Finanzamt nicht beantragt, da der Verein nicht auf Spenden angewiesen war. Der BAO ist also kein Verband, der eigenwirtschaftliche Zwecke als Interessenverband verfolgt.

Der BAO war Gründungsmitglied der Internationalen Gesellschaft für Ambulantes Operieren (IAAS), die das Ambulante Operieren weltweit vertritt. Deshalb sollte – bei einer möglichen Satzungsänderung des BAO - auch die Satzung der IAAS berücksichtigt werden. Diese gibt als Ziele (Objectives) an:

2. Satzung (Bylaws) der International Association for Ambulatory Surgery – IAAS, gegründet 1996
(Auszug; Quelle: http://iaas-med.com/modules/content/index.php?id=32)

Article 3.            Objectives

3.1   The Association is multidisciplinary, open to anyone interested in ambulatory surgery.

3.2   The Association’s objectives are:

o       to serve as an international multidisciplinary forum for the exchange of information and the advancement of  ambulatory surgery;

o       to encourage the development and expansion of high quality ambulatory surgery;

o       to promote education in ambulatory surgery;

o       to promote research into ambulatory surgery and disseminate the results of this research;

o       to serve as a database for information;

o       to establish guidelines;

o       to act as an advisory body to interested parties for the development and maintenance of high standards of patient care in ambulatory surgery;

o       to organise scientific meetings;

o       to establish close relationships with other societies or bodies concerned with ambulatory surgery;

o       to stimulate the development of national societies of ambulatory surgery.

3.2.  The Association may engage in any activity that relates directly or indirectly to its purpose, and may, in particular, assist with or promote any activity similar to its purpose.

The Association may exercise property or other physical rights over movable and immovable assets that are necessary to achieve its purpose.

Fazit: Der IAAS verfolgt sehr ähnliche Ziele, wie sie vom BAO 1992 formuliert wurden, nämlich ideelle und keine eigenwirtschaftlichen Zwecke.

3. Kann der BAO ein ausschließlicher Interessenverband werden?

Ja, dieses ist möglich, z.B. kann der BAO seine gemeinnützigen Ziele aufgeben und die Verbandsform einer Genossenschaft annehmen. Dieses erfordert jedoch eine Satzungsänderung, die nur mit einer 2/3 Mehrheit der Mitglieder beschlossen werden kann.

Eine solche Entwicklung würde die Möglichkeit eröffnen, dass sich zwei Verbände für Ambulantes Operieren in Deutschland bilden, einmal ein dem Gemeinnutz verpflichteter Verband und zum anderen ein reiner Interessenverband von freiberuflich tätigen Fachärzten.

Des weiteren müsste bedacht werden, dass die IAAS satzungsgemäß nur einen Verband als Vertretung eines Landes zulässt, also ein zusätzlicher Interessenverband nicht Mitglied in der IAAS werden könnte.

Auch müsste berücksichtigt werden, dass das EU-Wettbewerbsrecht keine Monopolbildung von Unternehmern (Freiberuflern) zulässt. Letzteres dürfte in Zukunft für die Hausarztverbände eine Rolle spielen. Diesen wirft schon jetzt die Kassenärztliche Bundesvereinigung vor, mittels der Hausarztverträge Monopole zu bilden, obwohl sie selbst als Selbstverwaltungsorgan ein Monopol darstellt.

Immer wieder wird in Zusammenhang mit der Forderung nach einem schlagkräftigen Interessenverband die Möglichkeit eines Streiks à la Marburger Bund in Erwägung gezogen. Im jetzigen Kassensarztsystem dürfen die Vertragsärzte nicht streiken, denn die Kassenärztlichen Vereinigungen haben 1955 im Kassenarztgesetz auf das Streikrecht verzichtet, um eine Gesamtvergütung der Krankenkassen zu erhalten. Sie dürfen sogar nichts gegen die Interessen oder den „Geist“ des Kassenarztsystems unternehmen, sonst billigen die Sozialgerichte den Entzug der Kassenzulassung von „aufmüpfigen“ Vertragsärzten (siehe Brökelmann 2003  http://www.arzt-in-europa.de/pages/2003JB_Zulassungsentzug.html). Vertragsärzte müssen also klügere Formen des Widerstands als den Streik ersinnen und umsetzen.

Fazit

Der BAO hatte schon immer ein gemeinnütziges Ziel, nämlich das Ambulante Operieren in Deutschland zu fördern. Dieses Ziel ist noch nicht erreicht.

Erst wenn Universitäts-Vertreter der medizinischen Fächer das Ambulante Operieren in Klinik und Lehre vertreten und fördern, hat das Ambulante Operieren sich durchgesetzt.

Noch gibt es solche Lehrstuhlinhaber nicht. Die Medizinischen Fakultäten und ihre Lehrstuhlinhaber bauen nach wie vor auf das alte Chefarztsystem mit untergeordneten, d.h. abhängigen Ärzten. Das Ambulanten Operieren durch eigenverantwortliche Fachärzte ist jedoch diametral entgegengesetzt diesem Chefarzt-System. Deswegen tun sich die Kliniken auch so schwer mit dem Ambulanten Operieren.

Neben dem gemeinnützigen Ziel hat der BAO auch immer die Interessenvertretung der Ambulanten Operateure und Anästhesisten als ein vorrangiges Ziel gesehen; er wird vom Finanzamt auch als Berufsverband geführt. Er war und ist ein Zwitter zwischen einem reinen gemeinnützigen und einem reinen Interessen-Verband. Eine Änderung der Verbandsziele erscheint derzeit nicht sinnvoll, zumal die Vertragsärzte grundsätzlich kein Streikrecht haben. In der Praxis scheint es sich zu bewähren, dass der Bundesverband mehr die ideellen Ziele des Verbands vertritt und damit zur Motivation seiner Mitglieder beiträgt, und die Landesverbände die praktische Interessenvertretung übernehmen, zumal Verträge mit den Krankenkassen auf Landesebene ausgehandelt werden.

Deshalb sollte der BAO in seiner jetzigen Form weiterhin die ideellen, gemeinnützigen Werte, wie sie in der Satzung stehen, verfolgen und auf Bundesebene die Interessen  seiner Mitglieder wahren, u.a. indem die kürzlich vorgetragenen Ziele verfolgt werden:

Zukünftige Politik des BAO
(
Brökelmann. ambulant operieren 1/2008, 41-44, http://www.arzt-in-europa.de/pages/2008JB_Zukunft-BAO.html)

  1. Der BAO muss deutlich machen, dass er sich für die Unternehmerrechte der Ambulanten Operateure und Anästhesisten einsetzt.
  2. Der BAO sollte weniger Kraft in die Lobby der Selbstverwaltungsorgane investieren, sondern muss auf zeitlich begrenzte Leistungsverträge zwischen niedergelassenen Ärzten und KVen sowie Krankenkassen drängen.
  3. Der BAO sollte eine staats-unabhängige Interessenvertretung (Dachverband) aller Ärzte (Krankenhaus- und niedergelassene) mit den übrigen freien Verbänden anstreben, sofern die Interessen der Ambulanten Operateure und Anästhesisten dort angemessen vertreten werden.
  4. Die Leistungen der Ambulanten Operateure und Anästhesisten müssen in der Öffentlichkeit wirksam dargestellt werden, unter anderem durch jährliche Veröffentlichung von Auswertungen der Qualitätssicherung AQS1, durch Hinweise auf ambulante Erst-Operationen und auch auf die Erfolgsgeschichte des Ambulanten Operierens im allgemeinen.
  5. Der BAO muss die qualitätsgesicherten Leistungen der Mitglieder propagieren und zum Beispiel Rahmenverträge mit Krankenkassen und KVen vorantreiben.
  6. Der BAO sollte das Ambulante Operieren im Rahmen des europäischen Gesundheitsmarktes fördern.